2015-01-14

Am Montag veröffentlichte das Nachrichtenportal der Standford University Libraries die Meldung, dass die Stanford University Press eine Förderung in 1.2 Millionen Dollar von der Andrew W. Mellon Foundation zum Zweck der Entwicklung von interaktiven Publikationsformen für die Digital Humanities und die Computational Social Sciences erhält. (Gabrielle Karampelas: Stanford University Press Awarded $1.2 Million for the Publishing of Interactive Scholarly Works. In: library.stanford.edu, 12.01.2015. Wer wissen möchte, was sich hinter den zweitgenannten Wissenschaftsfeld verbirgt, findet eine gute Beschreibung bei GESIS.)

Ein wichtiger Bestandteil der Entwicklungsarbeit liegt darin, die Brücke zwischen dem traditionellen Publizieren von wissenschaftlichen Monographien und den Ansprüchen bei der mediengemäßen Publikation von mittels Verfahren der digitalen Geisteswissenschaften ermittelten Erkenntnissen zu schlagen. Der Schritt ist sehr wichtig, sind doch die geisteswissenschaftlichen Disziplinen unverändert sehr buchlastig orientiert. Die wissenschaftliche Monographie gilt, so auch eine Einsicht aus den Fu-PusH-Interviews, in vielen Fächern nach wie vor als die anerkannteste und damit für den Reputationserwerb auch relevanteste Publikationsform (Zitat: „Goldstandard“).

Dem gegenüber steht die Notwendigkeit, digital erzeugte Forschungsprozesse und -ergebnisse adäquat abzubilden. Gerade entsprechende interaktive Visualisierungen sind in traditionellen Print- oder E-Book-Varianten kaum darstellbar. Daher veröffentlichen Wissenschaftler solche Daten selbstorganisiert und zumeist an den Verlagen vorbei:

„Currently, individuals and research groups host their digital materials online through their own Web sites, or on various public platforms. “For the most part these hosting models do not share common benchmarks or standards and very few incorporate rigorous peer review processes,” said Dr. Alan Harvey, director of Stanford University Press.“

Um hier eine Einheitlichkeit und Verlässlichkeit zu ermöglichen, verfolgt das Projekt explizit ein qualitätssicherndes Ziel:

„One goal for establishing a publishing methodology for interactive scholarly works is to provide a distribution channel that is held in the same high regard as the long-form monograph counterparts[.]“

Gelingt dies, haben die Wissenschaftsgemeinschaften einen Orientierungsrahmen für die Publikation von DH-Erkenntnissen, mit dem sie alternativ zur Monographie aber qualitativ gleichwertig und daher für die Reputation gleich bedeutsam im Prozess der wissenschaftlichen Kommunikation sichtbar werden können.

Das Pilotprojekt wird eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Landschaftsfotografien sein: Enchanting the Desert (Nicholas Bauch et al.) Auf der Projektseite wird die große Herausforderung für das Publizieren in den Digital Humanities noch einmal benannt:

„Publishing in the Digital Humanities has always been its weakest link. That is, there is little incentive for scholars to spend years on a project that they do not believe will become part of high-level conversations within their discipline.“

Zugleich will die Stanford University Press mit dem Projekt ermitteln, wie sich die Arbeit wissenschaftlicher Verlage analog zu den Publikationsgegenständen wandelt und gestalten lässt. In der Meldung liest man dazu:

„Consistent with its present publishing program the Press will serve as publisher of the interactive works, acquiring titles, operating independent peer and technical reviews and marketing each published title. To guard against lost content, Stanford Libraries will perform Web and data archiving for each project.“

In Stanford setzt man also ausdrücklich auf erweiterte Publikationen (bzw. enhanced publications), die in der Tat die einzige angemessene Publikationsoption für DH-Forschung sein dürften. Die Position des Verlags zeigt aber auch, dass es nicht allein um technische Fragen geht, sondern die Wissenschaftskulturen und ihre Praxen von der Qualitätssicherung (Reviewing) bis zur Langzeitarchivierung und -verfügbarkeit neu zu denken sind. Selbstverständlich geht es für die Verlage zudem um Geschäftsmodelle, die ihnen helfen, überlebensfähig zu wirtschaften und relevant zu bleiben.

Angesichts des denkbaren Ausmaßes der Verschiebung durch digitales Publizieren ist die zur Verfügung gestellte Summe nicht unbedingt sehr hoch. Zweifellos ist das Unterfangen noch eine Art Testballon, wie auch die Meldung herausstellt:

“This project will accelerate the transition to multifaceted digital publications, encourage thoughtful experimentation and document and promulgate best practices,” said Edward L. Ayers, president of the University of Richmond. “The project also has the potential to become a prototype for the 21st-century academic publisher.”

Er kommt aber vermutlich genau zum richtigen Zeitpunkt, da sich mittlerweile nach der ersten Aufbruchseuphorie in den Digital Humanities sehr wissenschaftspraktische Desiderate und Herausforderungen herauskristallisieren, zu denen unbestritten die Publizierbarkeit und Anerkennbarkeit von stark datenorientierter Forschung in den Geisteswissenschaften zählt.

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