2014-10-23

Ein Kurzbericht von Ben Kaden (@bkaden)

Ein Vorteil des Lebens in Berlins ist, dass man auch für relativ spezielle Leidenschaften an einem eher tristen Mittwochabend im Oktober einen attraktiven Anlaufpunkt findet. Wer sich zum Beispiel für Open Access interessiert, möglicherweise begeistert und möglicherweise sogar so weit geht, sich das Label „Generation Open“ anheften zu wollen, konnte gestern am Bebelplatz im Alexander Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) etwas erleben, was man vielleicht als die Salon-Variante der Open-Access-Kultur bezeichnen kann. Das Start-Up ScienceOpen, das sich schon eine Weile mit regelmäßigen Roundtable-Veranstaltungen darum bemüht, ein Format des zwanglosen und zugleich zielgerichteten Austauschs zu Fragen der wissenschaftlichen Kommunikation und den Umbrüchen im wissenschaftlichen Publikationswesen zu etablieren, lud, unterstützt von De Gruyter Open und LabFolder und eingebettet in die Open-Access-Week 2014, zu einer Unkonferenz unter dem hashbetaggten Motto #OpenAccess – it’s up to all of us.

Der Abend verlief in gewisser Weise dreigeteilt und umkreiste, wenn man so möchte, die Erkundung der Heterogenität der OA-Welt. Am Anfang stand eine Gruppenarbeit, bei der die Teilnehmer denkbar multiperspektivisch – Chemiker trifft Juristin trifft Philosphin trifft Archäologen trifft Programmierer trifft Bibliothekswissenschaftler usw. – Positionen zu Open Access austauschten und Problemfelder identifizierten. Wer sich lange mit dem Thema beschäftigt, erfuhr erwartungsgemäß nichts Revolutionäres. Deutlich wurde aber, wie stark die Diskrepanz zwischen einem genuinen Interesse am Thema und der Tiefe der bisherigen Auseinandersetzung mit Open Access gerade bei Fachwissenschaftlern ist. Das ist dann besonders beeindruckend, wenn man, geschlagen mit dem Tunnelblick ausgiebiger Aktivitäten im Bereich des E-Publishing, bemerkt, dass viele Selbstverständlichkeiten nur vermeintlich selbstverständlich sind und nicht jedem Wissenschaftler der Unterschied beispielsweise zwischen Urheber- und Verwertungsrechten (und Creative Commons), zwischen grünem und goldenem Weg und zwischen Pre- und Postprint bekannt sind. Noch sichtbarer werden die weißen Bereiche auf der OA-Landkarte, wenn man unterschiedliche Wissenschaftskulturen miteinander konfrontiert, wobei sich im Dialog bei dieser Unkonferenz am Ende fast wie um den Kreis zu schließen doch eine Reihe von Gemeinsamkeiten zeigten. (Ein großes und übergreifendes Thema bilden derzeit Forschungsdatenpublikation bzw. Open Data.)

Der zweite Teil des Abends bereitete diesem Dialog wunderbarerweise einen fruchtbaren Boden: Mit einer Reihe von so genannten Lightning Talks (Fünf Folien, Fünf Minuten, die Uhr auf dem Tablet zählt die Sekunden gnadenlos herunter) wurden tatsächlich mehr blitzbelichtend als vertiefend diverse Perspektiven in den HIIG-Salon projiziert. Fu-PusH steuerte einen Schnelldurchlauf zum Thema „Open Access in the Humanities“ bei. (Der Foliensatz kann über diesen Link (.ppt) abgerufen werden.) Dass man zu jedem der dort nur bullet-pointierten Aspekte einen gesonderten Foliensatz heraus differenzieren kann, ist offensichtlich. Für den Zweck der Veranstaltung erwies sich die hochkonzentrierte Dosis jedoch völlig angemessen.

Der Zweck der Lightning Talks erschöpfte sich nämlich gerade nicht in der Präsentation von Positionen und Entwicklungen. Diese waren genau genommen nur Mittel zum Zweck, Das eigentlich Ziel lag, wie bei Salonveranstaltungen üblich, in der Anregung des Gesprächs, der Anbahnung von Kontakten und dem unbefangenen Ausdiskutieren von Positionen. Dies war Anliegen des dritten Teils der Unkonferenz und es funktionierte bemerkenswert gut. Insofern lässt sich die Veranstaltung auch als Lehrstück sehen, wie man mit vergleichsweise überschaubarem Aufwand in kurzer Zeit sehr viel erreichen kann: Die Dreiheit (1) der Reflexion (Gruppenarbeit), (2) der Verdichtung (Zusammenführung der Positionen und Impulsreferate) und schließlich (3) des freien kommunikativen Spiels (kleines Buffet, viel Gesprächsraum) führen gerade bei einem sehr interdisziplinär zusammengesetzten Publikum rasch und unkompliziert zu Erweiterungen des Blickfelds, zum Erkennen von Verbindendem im Großen und Trennendem im Detail sowie zur Bildung neuer Netzwerke, die möglichst für jeden Beteiligten eine Bereicherung darstellen. Also in diesem Fall vor der großen Leinwand Open Access genau zu dem, wofür Salon-Geselligkeit traditionell steht.

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